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Vom Plotten und Erzählstrukturen

  • lisaostwald
  • 6. Nov.
  • 4 Min. Lesezeit

Ein Tisch mit einem Buch, einem Becher Kaffee und einem Fischbrötchen
Mit Kaffee, Fischbrötchen und Buch Romanstrukturen überlegen.

Nehmen wir an, meine Idee steht. Die Figuren sind entwickelt, Charaktere definiert. Die Prämisse ist gesetzt und auch das Ziel.


Und nun?


Kommt der Plot.


In unserer westlichen Gesellschaft hat sich eine Erzählstruktur über die Jahrhunderte bewährt. Wir kennen sie als 3-Akt-Struktur. Anfang, Mitte, Ende plus dazwischen Wendepunkte. Ach, und den Klimax nicht vergessen. Das ist eine wirklich sehr grobe Darstellung meinerseits. Das Thema ist zu genüge durchexerziert. Hunderte Webseiten, ja ganze Bücher beschäftigen sich nur mit diesem Thema.


Deswegen möchte ich euch die vorstellen, die zu mir passt.


Ich gebe es zu. Mein erstes Manuskript (was in den Untiefen meiner Schublade verschwunden ist) habe ich ohne Plot geschrieben. Weil ich nicht wusste, dass es sowas gibt. Erst als ich mich mit dem Handwerk auseinandersetzte, merkte ich, was alles möglich ist. Zuerst dachte ich, dass ich nicht plotten kann, da es meine Kreativität beeinflusst. Ich habe mich falsch eingeschätzt. Das Einzige, was ich brauchte, war die richtige Methode.

Und die habe ich in der 7-Punkt-Struktur nach Dan Wells gefunden.


Mir fällt es leichter, Geschichten vom Schluss her zu entwickeln. Wenn ich weiß, wo es hingeht, kann ich den Weg leichter zeichnen. Das begegnet mir in vielen Situationen: bei der Arbeit, auf Reisen … selbst bei Arztterminen.


Was macht diese Plotmethode aus?


Neben der 3-Akt-Struktur mit Einleitung, Hauptteil und Schluss und der 5-Akt-Methode mit zusätzlichen Wendepunkten, geht die 7-Punkte-Struktur einen Schritt weiter: Die Wendepunkte werden zusätzlich aufgeteilt. Stellt es euch wie ein Haus vor: Das Dach, das alles überspannt, sind die drei Akte. Das Obergeschoss mit Fenstern sind die fünf Akte und das Erdgeschoss mit Fenstern und Eingangsbereich sind die sieben Punkte. Klingt komisch? Stellt euch den Eingangsbereich detailliert vor. Vielleicht mit Säuen oder einer verzierten Tür? Doch nicht? Tja, das ist der Vorteil: Ich muss mit dieser Methode nicht bis ins kleinste Detail plotten. Ich kann das Haus nach eigenen Wünschen gestalten.


Wie strukturiert sich diese Methode?

1.        Aufhänger

  • Einführung Protagonist und der Welt, in der er sich befindet (Schlagwort: Setting)

2.        Erste Wendung

  • Auslösendes Ereignis: Welt verändert sich, Spannung wird aufgebaut

3.        Erster Kniff

  • Etwas geht schief, Prota wird zum Handeln gezwungen

4.        Mittelpunkt

  • Prota wird aktiv, um etwas an der Situation zu ändern

5.        Zweiter Kniff

  • Wieder geht etwas schief; Druck steigt, Situation erscheint aussichtslos

6.        Zweite Wendung

  • Prota findet eine Möglichkeit, doch etwas zu unternehmen

7.        Auflösung

  • Sieg über das Problem


Auf den ersten Blick wirkt die Methode kompliziert. Ist sie nicht. Die Wendepunkte, die in der 5-Akt-Methode vorkommen, werden hier in Wendepunkt und Kniff (vor Mittelteil) und Kniff und Wendepunkt (nach Mittelteil) aufgedröselt. Zwischen diesen muss nicht viel erzählte Zeit vergehen. Stellt euch das im echten Leben vor: Eine Situation erfordert Handeln. Ein Brief vom Finanzamt mit einer (fälschlichen) Zahlungsaufforderung (Situation) erfordert euer Handeln (Anruf und Nachfrage).


Wichtig zu erwähnen ist außerdem, dass der Prota beim ersten Wendepunkt reaktiv (nicht passiv ist) und dadurch in eine missliche Lage gerät. Die Figur weicht aus, duckt sich, will es nicht wahrhaben. Beim zweiten Wendepunkt ist die Figur aktiv. Sie muss reflektieren und dadurch zu einer Erkenntnis gelangen. Diese führt dazu, dass sie etwas unternimmt, um sich aus ihrer Zwangslage zu befreien. Dadurch führt sie die letzte Wendung herbei. Deswegen sind die »Stationen« getauscht. Erst das intensive Nachdenken (zweiter Kniff) führt zum Handeln (zweite Wendung)


Was mir wichtig ist: Die Wendepunkte sitzen. Beim Lesen von Büchern merke ich sie kaum. Nur der zweite sticht meist deutlich hervor. Und diesen Effekt will ich auch erreichen.

Hui. Viel Theorie. Wie sieht es bei mir in der Praxis aus?


Da lobe ich mir Papyrus Autor. Ich habe mir selber eine Denkbrettvorlage angelegt mit genau den Stationen, wie sie die Methode vorgibt. Darunter schreibe ich grob in Textfelder, was in den Bereichen passieren soll. Angefangen bei der Auflösung.


Hä? Geschichten beginnen doch am Anfang? Ja, im fertigen Buch. In der 7-Punkte-Struktur beginnen wir am Ende. Ich habe es zu Beginn auch nicht nachvollziehen können. Jetzt ist es mir klar: Wenn ich das Ende kenne, kann ich zu Anfang erste Hinweise platzieren.


Konkret sieht das Vorgehen beim Plotten folgendermaßen aus:

1.        Auflösung (Punkt 7)

2.        Aufhänger (Punkt 1)

3.        Mittelpunkt (Punkt 4)

4.        Erste Wendung (Punkt 2)

5.        Zweite Wendung (Punkt 6)

6.        Erster Kniff (Punkt 3)

7.        Zweiter Kniff (Punkt 5)


Das ist ein idealtypischer Verlauf. Manchmal fällt mir der zweite Wendepunkt schneller als der Mittelpunkt ein. Dann notiere ich das.


Die Methode klappt mit einem Prota ebenso wie mit mehreren. Ich nutze dann unterschiedliche Farben, um in Papyrus Autor die Personen zuzuordnen.

Je häufiger ich die Methode anwende, umso leichter fällt sie mir. Meine Geschichten bekommen Struktur und das Schreiben flutscht regelrecht. Außerdem kann ich entscheiden, wie detailliert ich plotten will. Positiv hervorzuheben ist, dass die Methode Änderungen leichter verzeiht. Manchmal, wenn ich schreibe, fällt mir ein, was im weiteren Verlauf noch passieren kann. Das lässt sich leicht einbauen. Flexibilität statt starres Korsett. Das mag ich.


Wenn der Grobplot steht, geht es in die Feinarbeit. Aus den Ideen werden Szenen extrahiert. Und wie ich diese erarbeite, erzähle ich in einem nächsten Beitrag.


Hat euch meine Darstellung der 7-Punkte-Struktur gefallen? Lasst gerne ein Herz da.

 

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