top of page

»Nein.« »Doch.« »Ohh!« – Dialoge schreiben

  • lisaostwald
  • vor 13 Minuten
  • 8 Min. Lesezeit

Ein Kronleuchter direkt von unten fotografiert
Blick nach oben

Bekannt, berühmt und sagt mehr als tausend Worte. Dieser kurze Schlagabtausch stammt aus dem Film „Hasch mich – Ich bin der Mörder“ von Louis de Funès.

 

Ein Film um einen Autor, der Krimi-Theaterstücke schreibt, und der erpresst wird. Naheliegende Lösung? Der Erpresser soll ins Jenseits geschickt werden. Am besten bühnenreif. Doch alles kommt anders. Der Erpresser verliert bei einem Unfall das Leben und das Unglück soll verstuscht werden. Problem: Der Polizeiinspektor erkennt die List und ermittelt.

 

Der Inspektor konfrontiert den Autor mehrmals mit seinen Ergebnissen und die beiden liefern sich immer wieder diesen Schlagabtausch. Durch die regelmäßige Wiederholung und der spezifischen Betonung erlangte dieses Zitat Kultstatus in Deutschland.

 

»Was bedeutet das jetzt für uns Autoren?«

 

Dialoge können eine Herausforderung sein. Wie gelingt es mir, das gesprochene Wort so aufzuschreiben, dass es gehaltvoll ist, die Handlung vorantreibt und den Leser bei der Stange hält?

 

Das ist etwas, dass ich lernen musste.

 

Zu Anfang meiner Schreibkarriere hatte ich Schwierigkeiten mit Dialogen. Sie klangen hölzern, plump und sinnlos. Wenn ich bedenke, dass mindestens ein Drittel des Buches Dialog sein soll, dann wird’s schwer.

 

Was habe ich gemacht? Ich habe das Handwerk gelernt.

 

Dialoge werden unterschieden zwischen der eigentlichen wörtlichen Rede und der Begleiterzählung. Ersteres hat zur Aufgabe, Informationen zwischen den Figuren zu transportieren. Aber auch zwischen Figur und Leser. Indem die Figur spricht, erhalte ich als Leser genauso wichtige Fakten, auch wenn sie nicht direkt mit mir spricht. Eine Figur kann dabei nur so sprechen, wie sie es gelernt hat. Ein Mensch aus einem sozial schwachen Milieu, welches nie verlassen wurde, wird nicht wie ein Akademiker sprechen. Und selbst wenn er es verlässt, wird er Schwierigkeiten haben, den akademischen Sprachgebrauch zu internalisieren. Die wörtliche Rede simuliert das gesprochene Wort, stellt es aber nicht originalgetreu dar. Stellt euch vor, ihr schreibt einen Dialog und ein Sprecher kommt aus Bayern, einer aus Schleswig-Holstein. Beide sprechen Dialekt. Würdet ihr ihn so schreiben? Ich denke nicht. Spätestens der Leser wird kein Wort verstehen und frustriert das Buch zuklappen. Ein paar Dialektwörter, die allgemein bekannt sind, sind okay. Gegen ein mürrisches „Moin“ hat niemand etwas einzuwenden.

 

Die Begleiterzählung charakterisiert meine Figur. Diese richtet sich nach dem Tempo des Wortwechsels. In einem Streit sind Bewegungen schneller, Körperreaktionen hektischer. Anders bei einer gemütlichen Kaffeerunde. Gleiches gilt für die Persönlichkeit meiner Figur. Ist sie vom Grundton unruhig oder entspannt wie ein Drei-Zehen-Faultier? Diese Eigenschaften haben wiederum Einfluss auf die nonverbale Kommunikation. Nach Außen kann ich total entspannt wirken, während mich die Wut innerlich zerfrisst. Deswegen ist die Redebegleitung nicht beliebig. Sie sollte gut überlegt sein.

 

Beachte ich diese Aspekte, decke ich relativ gut die Ebenen des Dialoges ab. Verbal (direkt gesprochen), paraverbal (Lautstärke, Wortwahl, Melodie …) und nonverbal (Mimik, Gestik …)

 

Klingt kompliziert? Ist es nicht.

 

Besucht mal wieder ein Theaterstück. An keinem Ort der Welt seht ihr Dialoge so unvermittelt wie dort. Davon lebt ein Bühnenstück. Dass das Ensemble interagiert. Ihr hört die Worte. Und wenn ihr genau hinschaut seht ihr jedes einzelne. Das nonverbale, das paraverbale … und plötzlich eröffnet sich das Stück in seiner ganzen Tragweite. Die Dialoge sind auf den Punkt. Müssen sie auch sein. Die Zeit ist begrenzt. Kein Besucher hat Lust, fünf Stunden im Theater zu sitzen, bis die Handlung endlich Fahrt aufnimmt. Und durch die Gesten, Ausdrücke, Lautstärke, Tempo … zeigen mir die Darsteller, wie es ihren Figuren geht. Faszinierend, oder?

 

»Kann das nicht auch eine Serie?«

Vielleicht. Beim Film kann eine Szene wiederholt werden. Im Theater geht das nicht. Deswegen finde ich, dass das Theater geeigneter ist, um etwas über Dialoge zu lernen.

 

»Wie aber schreibe ich gehaltvolle Dialoge?«

 

Nun, dafür müssen wir klären, was gehaltvoll ist.

 

„Guten Morgen, mein Schatz. Wie hast du geschlafen? Ist heute nicht ein herrlicher Tag? Ich habe dir dein Frühstücksei so gekocht, wie du es magst. Wie wäre es, wenn wir heute eine Runde um den See spazieren gehen?“

„Guten Morgen, Liebling. Das ist aber herzallerliebst von dir. Deine Ideen machen mich sprachlos. Und dein perfekt gekochtes Ei! Ich wusste, dass ich mit dir den Hauptgewinn gezogen habe.“

 

 

„Guten Morgen.“

„Morgen.

„Hier ist dein Frühstück.“

„Danke. Was hast du heute geplant?“

„Einen Spaziergang und dann den Keller aufräumen.“

 

 

„Guten Morgen.“

Er setzte sich, sie ignorierend. Sie stellte die Kaffeetasse vor ihm ab. „Ich räume heute den Keller auf.“

„Kein Frühstücksei?“ Seine raue Stimme sorgte dafür, dass sich die Haare auf ihren Armen aufstellten.

 

Das waren jetzt keine preisverdächtigen Beispiele. Es geht mir darum, etwas zu zeigen. Bei welchem Beispiel habt ihr die Augen verdreht? Und wo hättet ihr Lust, weiter zu lesen? Vielleicht, weil die Beziehung dieses Paares in wenigen Worten gezeigt wird? Vielleicht auch der Konflikt? Gegen ein „Guten Morgen“ hat niemand etwas einzuwenden. Danach solltet ihr aber zügig auf den Punkt kommen.

 

»Auch im ersten Entwurf?«

Nein, dort könnt ihr ausschweifend sein. In der Überarbeitung streicht ihr Überflüssiges, Wiederholungen, Redundantes. Kill your darlings!

 

»Aber bei dem Film vom Anfang wird doch dieser Satz mehrfach wiederholt?«

Weil es zu dem Genre und den Charakteren passt. Humor arbeitet viel mit Pointen, die sich wiederholen können. Jeder weiß, was passieren wird. Spannung baut sich auf und entlädt sich in dem Moment, wenn die Pointe sich wiederholt. Es wird gelacht, der Humorist fängt an, den nächsten Spannungsbogen aufzubauen.

 

Eure Charaktere dürfen Lieblingswörter oder -redewendungen haben. Die dürfen und sollen vorkommen. Nicht zu oft, dass kann Leser schnell nerven. Solche Dinge machen deinen Charakter nahbar, sympathisch und nachvollziehbar. Und das wünschen sich Leser.

 

»Woher weiß ich, wie meine Figur spricht?«

 

Das habt ihr in ihrem Charakter angelegt. In ihrem Verhalten, ihrer Herkunft, ihren Beruf… alles wirkt darauf ein, wie eure Figur redet. Jemand aus dem akademischen Bereich spricht anders als eine Person vom Land (Achtung Klischee, aber wissenschaftlich belegt. Siehe Buchempfehlung am Ende des Artikels.). Auf der Arbeit reden wir anders, als wenn wir mit Freunden unterwegs sind. All das wirkt auf eure Figur ein. Stellt sie euch in den unterschiedlichen Settings vor. Und so, und mit ein bisschen Übung, findet sie ihre Stimme, die ihr zu Papier bringt.

 

Jede Figur hat ihre eigene Stimme. Das macht sie unterscheidbar. Denkt an ein eineiiges Zwillingspaar. Äußerlich gleichen sie sich. Und dennoch hat jeder seinen eigenen Charakter. Und den gilt es bei jeder eurer Figuren einzufangen.

 

»Und wenn ich keine Ahnung habe, wie verschieden Menschen sprechen?«

Dann setzt euch an einen Bahnhof und beobachtet Menschen. Oder eure Kollegen in der Mittagspause. Oder im Park auf einer Bank sitzend. Mit ein bisschen Übung bemerkt ihr die verschiedenen Stimmen. Lieblingsworte, Gesten, Gesichtsausdrücke …

 

Ihr seht, es gibt ziemlich viele Lerngelegenheiten. Mit offenen Augen entdeckt ihr sie.

 

»Und was ist mit dem, was nicht gesagt wird?«

»Du meinst den Subtext?«

»Genau!«

 

Vielleicht kennt ihr Friedemann Schulz von Thun. Gerade im pädagogischen Bereich oder der Psychologie ist er eine feste Größe beim Thema Kommunikation. Stichwort Kommunikationsquadrat. Jede Aussage wird auf vier Ebenen gesendet und mit vier Ohren empfangen. Eine Äußerung kann eine Sachinformation sein, sie kann eine Selbstkundgabe darstellen, sie kann etwas über die Beziehung sagen und sie kann ein Appell sein. Je nachdem, auf welchem Kanal ich sende und empfange, kann ich eine Information verstehen oder missverstehen.

 

Schauen wir uns das Beispiel 3 von oben an: „Ich räume heute den Keller auf.“

 

Auf der Sachebene meint unsere Frau, das, was sie sagt. Der Keller muss aufgeräumt werden. Vielleicht bedeutet ihre Aussage in der Selbstauskunft, dass der Keller sehr unordentlich ist und ihr das nicht gefällt. Auf der Seite des Appells kann ihre Aussage bedeuten, dass sie sich seine Unterstützung wünscht. Und was sagt es über die Beziehung? Vielleicht ist sie es Leid, dass er sie mit diesen Aufgaben alleine lässt. Oder sie wünscht sich seine Gegenwart, da sie Angst alleine im Keller hat. Wir wissen es nicht. Aber wir können anhand seiner Reaktion ahnen, wie die Aussage ankommt. Schätzt mal, was er verstanden hat.

 

Ein gut gemeinter Ratschlag kann so schnell als persönlicher Angriff gewertet werden. Das habt ihr vielleicht schon am eigenen Leib erfahren. Ihr seid angespannt, jemand sagt euch was, und schon platzt euch der Kragen. Und umgekehrt. Warum soll es euren Figuren anders ergehen? Was hat das zur Folge? Einen Streit. Ob offen oder verdeckt, dass entscheidet ihr beim Schreiben. Und schon erfährt der Leser ein bisschen mehr über die Beziehungsdynamik. Und ihr habt Subtext geschaffen.

 

Ich gebe zu, es ist zu Anfang herausfordernd, diesen Subtext darzustellen. Wenn ihr im ersten Entwurf das nicht hinbekommt, gibt es die Überarbeitungsschleifen. Am Ende soll der Dialog für den Leser natürlich wirken. Was der Leser nicht sieht: Ihr habt so lange an den Sätzen gefeilt, bis ihr diesen Effekt erzielt.

 

»Und das Formale?«

 

In der Schule haben wir die Gänsefüßchen kennengelernt. Kleine 99 oder 66. Unten, um die Rede zu eröffnen (99). Oben, um die Rede zu schließen (66). Gute Basis.

 

Wenn ihr in publizierte Bücher schaut, findet ihr häufig die Chevrons (»«), manchmal Guillemets («»). Wenn ihr kein Schreibprogramm für Autoren nutzt (z. B. kann man die Satzzeichen in Papyrus Autor einstellen), dann findet ihr die bei Windows unter ALT+0187 (») und Alt+0171 («). Bei Mac ist es Option+q.

 

Manchmal findet ihr diese " " oder “ ” Anführungszeichen. Erstere sind von der Schreibmaschine, letztere aus dem Englischen. Beide sind nach deutscher Rechtschreibung falsch.

 

Welche Satzzeichen ihr benutzt, ist Geschmackssache. Ich persönlich mag die Chevrons.

 

»Und was ist mit Punkt und Komma?«

Kommt drauf an. Die Tabelle gibt eine Übersicht.

 

Der normale Dialog

„Das Wetter ist schön.“

Dialog mit Inquit-Formel

„Das Wetter ist schön“, sagte sie.

Eingeschobene Inquit-Formel

„Das Wetter ist schön“, sagte sie, „um einen Spaziergang zu machen.“

Eingeschobene Bühnenaktion

„Das Wetter ist schön“, sie riss das Fenster auf, „um spazieren zu gehen.“

Bühnenaktion zwischen zwei Dialogen

„Das Wetter ist schön.“ Sie riss das Fenster auf und holte tief Luft. „Perfekt um spazieren zu gehen.“

 

»Was ist Bühnenaktion?«

Deine Figuren sollten sich bewegen. Denkt immer an das Theater. Dort bewegen sich die Schauspieler auf der Bühne. Fehlt das in deinem Roman, kann das ganze schnell statisch wirken. Oder schlimmer: Der Leser weiß nicht mehr, wer spricht, und es schweben Köpfe im Raum (Floating-Head-Syndrome). Gebt euren Figuren etwas zu tun. Und wenn sie sich nur an der Nase kratzen. Es erleichtert dem Leser die Orientierung.

 

»Und Inquits?«

Das sind Redebegleiter. Sie machen deutlich, wer etwas sagt. Es gibt vier richtige Inquits (sagte, fragte, antwortete, erklärte), die sparsam eingesetzt werden sollten. Ich weiß, in der Schule haben wir es anders gelernt. Im Roman kannst du, wenn du Bühnenaktion bringst und deine Charaktere eine eigene Stimme haben, darauf verzichten. Das menschliche Auge überliest sie eh.

Es gibt Zweifelsfälle, die durch zahlreiche Übersetzungen in der deutschen Sprache angekommen sind. Solche Inquits wie flehte, keuchte, krächzte, brüllte, flüsterte, zischte, lallte, flötete, murmelte, brummte … können genutzt werden. Aber bitte sparsam. Ich gehe davon aus, dass in einigen Jahren kein Lektor das anmerkt.

Aber die falschen wird dir jeder Lektor, auch ich, anmerken:

lachte, lächelte, grinste, weinte, ließ sie ihn wissen, stellte er fest, zeigte sie sanft, versuchte sie zu erklären, wies er sie an, mischte er sich ein, platzte es aus ihm heraus, hallten die Worte nach, seufzt, ordnet an, ahmt sie ihn nach …

Alles, was aus irgendwelchen Verben zusammengesetzt ist, eignet sich nicht als Inquit. Ja, ich weiß, dass sie in Büchern stehen. Meistens in Übersetzungen. Lass sie in deinem Text weg. Finde dafür lieber starke Verben, die deine Story pushen.

 

»Oh je, jetzt qualmt mir der Kopf!«


Ich habe mehr erzählt, als ich wollte. Aber dieses Thema ist so interessant, da es deine Figuren zu dem macht, was wir uns wünschen: zu Menschen. Wenn auch fiktiv. Deswegen lohnt es sich, genau zuzuhören. Warum spricht ein Mensch, wie er spricht. Und wie gelingt es mir, genau das bei meinen Figuren umzusetzen? Dewegen: Lass uns eine Pause machen. Und dann unsere Dialoge schreiben.

 

Zum Abschluss genau dazu eine Buchempfehlung: Ervin Goffmann „Wir alle spielen Theater“

 

Quellen:

 

Kommentare


bottom of page